Die letzten Sehnen der Menschlichkeit

Mit der Romanverfilmung „Bones and All“ schickt der italienische Regisseur Luca Guadagnino ein kannibalistisches Liebespaar über die Highways der USA. Dennoch handelt es sich bei diesem Coming-of-Age-Road-Movie nicht um einen reinen Horrorfilm. Wenn man sich auf die drastische Allegorie einlässt, dann ist der Film eine berührend-schöne Reflexion über das Menschsein. Gedanken über die philosophische Tiefe des Kannibalismus.

Von Sebastian Seidler

Leders Journal (X): Die „Fussbroichs“ und das Genre der Doku-Soaps

Lange bevor der Begriff „Doku-Soap“ populär wurde, entwickelte sich ab 1991 im WDR aus der dokumentarischen Beobachtung der dreiköpfigen Arbeiterfamilie Fussbroich der Vorläufer eines Formats, das den Alltagsprotagonisten anfangs aufs Maul schaute. Zwischen 1991 und 2003 entstanden so insgesamt 100 halbstündige Folgen, die Fernseh- und Dokumentarfilmgeschichte schrieben.

Von Dietrich Leder

Muss man gesehen haben!

Der Sender HBO, Heimat der „Sopranos“, von „Game of Thrones“ und „Succession“, feiert am 8.11.2022 seinen 50. Geburtstag. Zeit für eine Würdigung und Einordnung des US-Kanals, der die Sehgewohnheiten des Publikums prägen sollte wie kein anderer. Wo steht der Pay-TV-Kanal nach dem vielbeschworenen goldenen Serienzeitalter, das er mitprägte, in Zeiten von großer Konkurrenz und Blockbuster-Fernsehen?

Von Chris Schinke

Zwei sowjetische Antikriegsfilmklassiker: Iwan & Fljora

Es ist bitter, dass ausgerechnet zwei Klassiker des Antikriegsfilms aus der Sowjetunion stammen: „Iwans Kindheit“ (1962) von Andrej Tarkowski und „Komm und sieh“ (1985) von Elem Klimow. Beide Filme formulieren ihren Einspruch gegen die Verklärung des Großen Vaterländischen Krieges anhand zweier kindlicher Charaktere. Die seelische Verhärtung und innere Auslöschung der jungen Protagonisten wird zum ultimativen Einspruch gegen jede Form oder Rechtfertigung militärischer Gewalt.

Von Klaus-Dieter Felsmann

„The Woman King“ und seine historischen Wurzeln

Der Hollywood-Film „The Woman King“ ist eine Hommage an die Soldatinnen aus dem afrikanischen Königreich Dahomey, die als legendäre Agojie-Kriegerinnen in die westliche Popkultur gerade Eingang finden. Im heutigen Benin wird der Film mit Szenenapplaus begleitet. Am Regierungssitz von Benin, der Stadt Cotonou, wurde jüngst überdies eine monumentale Amazonen-Statue enthüllt. Die historischen Hintergründe unterscheiden sich allerdings von der Fiktion des Films.

Von Katrin Gänsler

Viel Luft nach oben: Zur Lage des Kurzfilms in Deutschland

Im Kino und im Fernsehen tut sich der Kurzfilm seit Jahren recht schwer. Seine wichtigste Plattform sind die Festivals. Immerhin gewinnen die Streamingdienste als Alternative an Bedeutung. Doch es hapert bereits bei den Produktionsbedingungen und der Filmförderung. Dabei gibt es durchaus Ideen, wie man dem Kurzfilm wieder mehr Aufmerksamkeit verschaffen könnte. Ein Gespräch mit Jana Cernik, einer der Geschäftsführerinnen der AG Kurzfilm – Bundesverband Deutscher Kurzfilm.

Von Reinhard Kleber

Leders Journal (IX): Königliche Krönungen

Nach dem Tod der britischen Königin Elisabeth II. übertrafen sich die deutschen Fernsehanstalten mit Live-Übertragungen. Darin spiegelt sich weniger eine latente Sehnsucht nach Monarchie als vielmehr die Effektivität aufwändig- spannungsvoller Inszenierungen. Das machte nicht nur die weltweit im Fernsehen verfolgte Krönung der Queen 1953 zur frühen Erfolgsstunde des jungen Mediums, sondern verstand auch schon 1902 der Kinopionier Georges Méliès bei seinem Film über die Krönung Edwards II. zu nutzen.

Von Dietrich Leder

Was ist ein Showrunner?

In Deutschland hat man sich mit der Rolle des „Showrunners“ noch nicht so recht angefreundet. In der US-amerikanischen Filmbranche rangiert der „Serienmacher“ über dem Regisseur, weil er einer Serie nicht nur kreativ seinen Stempel aufdrückt, sondern oft auch fürs Budget verantwortlich ist. Der Drehbuchautor Rainer Matsutani hat die Vor- und Nachteile der Rolle eines „Serienschöpfers“ in seinem eigenen Schaffen erfahren.

Von Margret Köhler

Suche nach der verlorenen Heimat: Beobachtungen zu „Mittagsstunde“ und „Alle reden übers Wetter“

In jüngeren deutschen (Heimat-)Filmen fahren urbane Akademiker gerne aufs Land zu ihren Eltern oder dem Ort, wo sie aufgewachsen sind. Was früher das Zuhause war, ist jetzt seltsam fremd. Die Reisenden kommen allerdings nicht aus einem glücklichen Leben. Vielmehr haben sie etwas verloren, das sich nicht so einfach wiederfinden lässt, erst recht nicht in der Heimat. Der Brückenschlag zwischen Jetzt und Damals, Tradition und Moderne, fällt schwer.

Von Patrick Holzapfel